Die Geschichte von Kamarg
Das erste Kapitel: 1949-1990
Anfang der 50er Jahre wird der Geschäftsbereich „Rucksäcke“ der „Georg Margutsch Lederwarenfabrik“, die damals Fahrzeugplanen, Antriebsriemen und die Rucksackmarke „Gipfelstürmer“ produzierte, neu aufgestellt. Für den Aufbau des Geschäftsbereiches wird Hubert Wöllzenmüller eingestellt. Die Geschichte von Kamarg beginnt.
Der gebürtige Münchner hatte seit 1948 über die Gründung eines eigenen Rucksack-Unternehmens nachgedacht, entschloss sich aber schlussendlich für eine Angestellten-Karriere. Er entwarf das klassische Kamarg Design und war laut Berichten seiner Töchter immer auf der Suche nach der nächsten Rucksack-Innovation. Er blieb bis in die frühen Achtziger Betriebsleiter und war selbst in seiner Pension noch im Betrieb anzutreffen.
Der Name Kamarg entstand nach Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern aus einer Abkürzung für Kamper („KA“) und Margutsch („MARG“). Frau Maria Kamper soll dem Eigentümer Georg Margutsch nahe gestanden haben.
Die Werkstatt war in der Griesgasse 22 in Graz, von wo aus man den bekannten Grazer Uhrturm sehen kann, der zum wesentlichen Bestandteil des Logos der Marke wurde.
Die Vorgeschichte des Unternehmens „Georg Margutsch Lederwarenfabrik“ (1939-1949)
Bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges war in der Griesgasse 22 die angesehene Sattlerei und Riemen-Firma „Eduard Hofmann & Co“ ansässig, die im Dezember 1938 von Georg Margutsch im Rahmen einer erzwungenen Liquidation erworben wurde, für die er sich im Herbst beworben hatte. Die Liquidation war das Resultat einer versuchten Arisierung, nachdem das Unternehmen im Juni 1938 unter kommissarische Aufsicht gestellt wurde. Ob Georg Margutsch bei diesen Geschehnissen als treibende Kraft, als Strohmann eines Grazer Mitbewerbers oder als opportunistischer Käufer gehandelt hat, ist noch unklar und Gegenstand laufender Recherchen, die wir gemeinsamt im Herbst 2021 gemeinsam mit der Institut für Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte der Karl-Franzens Universität Graz gestartet haben und hier veröffentlichen werden. Der jüdischer Voreigentümer Alois Blühweis wurde nach der Abgabe des Betriebes verfolgt und emigrierte im Januar 1939. Er starb 1943 in einem KZ in Jugoslawien.
Georg Margutsch bemühte sich mehrmals um eine Gewerbeanmeldung in Graz (er war ursprünglich aus Kirchbarch in der Steiermark), die ihm aber bis zum Juni 1942 verwehrt blieb, weshalb das Unternehmen zeitweise als Dependanz einer anderen Grazer Sattlerei betrieben wurde und Georg Margutsch im Außendienst einer Grazer Textilfirma tätig war. Inwieweit die Firma nach der Gewerbeanmeldung zwischen 1942 und 1949 tatsächlich wirtschaftlich aktiv war, ist leider unklar.
1946 wurde schließlich ein Rückstellungsverfahren eingeleitet und die jüdischen Vorbesitzer, die inzwischen in Italien und den USA lebten, durch außergerichtliche Vergleiche im Februar 1949 entschädigt.
Im Laufe des Jahres 1949 nimmt das Unternehmen schließlich seinen regulären Betrieb als „Georg Margutsch Lederwarenfabrik“ auf.
Expansion dank des österreichischen Wanderbooms
Kamarg-Rucksäcke werden zuerst nur im eigenen Verkaufsgeschäft, schlussendlich aber auch über Sportgeschäfte verkauft.
Die Marke wurde in Österreich in den 50er- und 60er-Jahren sehr erfolgreich, als das Thema Wandern und Abenteuer immer populärer wurde. Das Unternehmen konzentriert sich bald nur noch auf den Produktion von Rucksäcken und Taschen.
Eine Betriebsstätten-Prüfung im Jahr 1960 belegt die Belieferung von 2.000 Sportgeschäften in der Alpenregion, 35 Nähplätze und 33 Mitarbeiter.
1972 wird das Unternehmen von Georg Margutsch and seinen Sohn Herbert Margutsch übergeben. Ende der 70 Jahre verkauft das Unternehmen 500 Rucksäcke pro Tag und hat neben Wanderrucksäcken auch Rucksäcke für Schifahrer, Angler und Bergsteiger im Programm.
Das zweite Kapitel: 2013-heute
Im Frühjahr 2013 findet Franz Drack einen alten Kamarg Rucksack, als er den Dachboden des elterlichen Hauses im Rahmen eines Umzugs ausmistet. Der beige Kamarg war in einer Holzkiste verstaut und wurde von seinem Vater erst als Schultasche und dann zur Arbeit verwendet. Der Rucksack wurde 1953 gekauft und war immer noch voll funktionsfähig. Es gab Materialabnützungen aber nichts war kaputt. Franz reinigte den Rucksack und begann ihn als Tagesrucksack zur Arbeit zu verwenden. Vielen Kollegen und Freunden gefiel das einfache und zeitlose Design.
Es war dieser Rucksack, der Franz zum Nachdenken brachte. Er begann über all die Rucksäcke und Taschen nachzudenken, die er über die Jahre gekauft hatte, viele davon bekannte Marken. Die meisten waren längst Vergangenheit, nur selten erlebten sie trotz vorsichtiger Handhabung ihren zweiten Geburtstag. Der Reißverschluss ging kaputt, Plastikhalterungen brachen oder ermüdeten und das Obermaterial war oft nicht stabil genug. Im starken Kontrast dazu stand nun ein Produkt das knapp 62 Jahre alt und immer noch voll funktionstüchtig war. Es schien so als ob Kamargs wirklich für die Ewigkeit gemacht seien. Sie waren keine Wegwerfprodukte, sondern Begleiter. Die Idee ließ Franz danach nicht mehr los. Im Juni 2014 beschloss er der Marke wieder Leben einzuhauchen.
In einem ersten Schritt begann Franz auf Flohmärkten alte Kamargs zu kaufen bzw. Freunde und Bekannte nach deren Kamargs zu fragen. Bald führte die Spur nach Graz und Wien. Diese alten Rucksäcke waren die Basis für die Prototypen. Mit Ausnahme der Wasserfestigkeit sollte nichts, aber auch gar nichts geändert werden.
Dann folgte der Wieder-Aufbau von Kamarg Schritt für Schritt: Die Marke wurde wieder angemeldet, die Firma wurde gegründet (vorerst in Schweden) und die Arbeit an den ersten Prototypen began.
Am 6. Juni 2017 startete Kamarg schließlich auf Kickstarter, um durch Crowdfunding eine Erstproduktion zu finanzieren.
In nur 5h 49min war das Finanzierungsziel erreicht. Das Projekt erreichte 995 Unterstützer aus 14 Ländern und die Erstproduktion von drei Farben sowie des Regencovers konnte sicher gestellt werden.
Im Herbst 2018 zog die Firma nach Wien und die Arbeit für den Kamarg Pro (Modell 59) begann. Parallel wurde an Accessoires wie Laptophüllen gefeilt.
Die Produktentwicklung für den Kamarg Pro wurde im Sommer 2020 abgeschlossen, Ende September 2020 startete eine weitere Kickstarter- kampagne, um die Erstproduktion für den Kamarg Pro zu ermöglichen.
Auch hier konnten wir uns wieder über ein erfolgreiches Funding freuen.
2020 folgte die Auflage des leichten Tagesrucksacks Kamarg Mini basiert auf dem Modell 32 aus den 70er Jahren.
Und das Abenteuer geht weiter. Geschichte wird geschrieben.